Kapitel 2
 

Nun also, Anton und Lise verhalfen Frank zu den Einwohnern sechs und sieben. Der Bau der Furt zog sich noch immer hin. Nach weiteren zwei harten Jahren war Anton III. vier Jahre alt und Gunther zwei! Das konnte man schon genau bestimmen, denn inzwischen wußten ja alle, wie das jetzt mit dem Kalender gemeint war. Ach ja, und die Furt war auch fertig.

Damit folgte, genau, der zweite denkwürdige Tag in Antons Leben. Anton Senior hatte die Stadtvollversammlung einberufen und von sieben Bürgern waren auch sechs erschienen. Nun soll der fehlende Bürger hier nicht diskreditiert werden indem er namentlich benannt wird ... warum eigentlich nicht? IMRE WAR'S!! Der Rumäne war schuld! Imre, der Urvater der deutschen Politikverdrossenheit! Imre, der ...

Hier greift der Geschichts-Schreiber ein und möchte an gar keine Fakten erinnern:

Aber der Geschichts-Schreiber möchte den Geschichtenschreiber (der immer Recht hat) darauf hinweisen, daß wir uns hier gefährlich dicht am Rotstift der Zensur bewegen, und doch zum ursprünglichen Thema zurückkommen sollten.

Also gut! Zweiter denkwürdiger Tag ... Stadtvollversammlung ... sehr gute Teilnahmequote. Anton senior hielt eine sehr lange und ermüdende Rede über die Chancen und Gefahren, die die neue Furt mit sich bringen könnte. Das ging dann von komerziellen Möglichkeiten, wie "europäisches Tor zum Osten" bis hin zu kriminellen Potentialen, wie "russische Autoschieberbanden". Aber auch neue Verpflichtungen ließ er dabei nicht außer acht, so zum Beispiel die "Grenzsicherung der EG-Außengrenzen gemäß dem Schengener Abkommen" und so weiter. War eben ein kluger, der Anton senior. Aber dann kam der große Moment! Anton senior benannte die Stadt offiziell erst von "Frank" in "Frank mit der Furt", und kurz darauf, aus Gründen des öffentlich-rechtlichen Sparsamkeitsprinzips von "Frank mit der Furt" in "Frankfurt" um.

Hier greift der Geschichts-Schreiber ein und möchte an folgende Fakten erinnern:

Als wesentlich später bekannt wurde, daß lange nach dem eigentlichen Frankfurt noch ein weiteres Frankfurt, undzwar irgendwo am Flusse "Main", gegründet worden war, entschloß sich der damalige Bürgermeister (ein Nachfahre der Kugelbärs) von Frankfurt, dem Ort den Beinamen "an der Oder" zu verpassen. Man wollte schließlich nicht verwechselt werden.

Weiter im Text. Die Umbenennung der Stadt war aber noch nicht alles, was Anton senior auf der Pfanne hatte. Außerdem verlieh er Anton nämlich noch die Frankfurter Ehrenbürgerschaft, womit es Frankfurt seiner Meinung nach schon auf acht Einwohner brachte.

Das Leben und der Handel an der Furt entwickelten sich prächtig. Nur in zwei Punkten hatte sich Anton verrechnet, Kippen und Sprit. Der König postierte nämlich ganz schnell den Landesgrenzschutz an der Furt und schon war Asche mit Polen-Schopping! Heu durfte man darauf hin nur noch einführen, was die Pferde in der Fresse hatten, zuzüglich einem Ballen auf der Ladefläche des Pferdewagens, und die Zigarretteneinfuhr war auch streng limitiert (aber da fanden sich dann Möglichkeiten).

Doch diese Rückschläge hielten Anton nicht davon ab, weitere hochtrabende Projekte zu entwickeln, wie z.B. einen Internationalen Großflughafen oder eine über Maut finanzierte Autobahnbrücke. Er ließ davon auch erst wieder ab, nachdem ihn Lise davon überzeugt hatte, daß das eigentlich ganz großer Quatsch ist. Schließlich gab es weder Autos, noch Flugzeuge. Selbst die russischen Autoschieberbanden dealten damals noch mit geklauten Pferdefuhrwerken. Man munkelte damals, daß diese geklauten Pferdefuhrwerke vor dem Grenzübertritt in der Werkstatt von Imre umlackiert worden sind.

Hier greift der Geschichts-Schreiber...

Jaja, ich weiß, der Zensor! Ist ja schon gut!

Die Jahre gingen in's Land, ein Jahrhunderthochwasser jagte das nächste und die Furt wirkte, wie vorausgesehen, wie ein Magnet. Der Handel blühte, und nicht zuletzt wegen der extremem, schier unerschöpflichen Flut an Menschen und Material, welche über Frankfurt hereinbrach, mauserte sich dieses kleine Städtchen in kurzer Zeit zu einer ansehnlichen Metropole. Schon bald zählte die Stadt stattliche dreizehn Einwohner. In dieser Zahl war der Ehrenbürger noch nicht einmal mitgerechnet! Das bedeutete auch für Anton Glück und Wohlstand. Wo viele Menschen waren, gab es auch viele Mäuler zu stopfen. Und er war hier der einzige Wilddieb weit und breit! Er hatte sozusagen zum ersten mal in der Menschheitsgeschichte in einer singular-observierten Economical Area eine Monopol-Stellung auf einem regional begrenzten Absatzmarkt. Durch diverse Management-Crash-Kurse sowie mehrere Schulungen im "Learning by doing"-Verfahren, organisiert von Innung und Handwerkskammer, konnte er die Effektivität seiner Wilderei um fast 43,287 Prozentpunkte steigern, so daß er irgentwann feststellte: "Scheiße! Der Wald is leer!"

Jaja! Sehr clever, Anton!! Da hat das blöde Brot mehr arme Schweine umgelegt, als die königlichen Förster nachpflanzen konnten. Es waren nicht einmal mehr Hasen oder Füchse verfügbar. Alles weg! Alles tot! Alles erschlagen und aufgefressen!

Und so begab es sich, daß zu Anton, Lise und den beiden Bälgern die große Traurigkeit in die Hütte zog. Die Geschäfte liefen schlagartig schlecht, denn ohne Viecher kein Wildbret und ohne Wildbret kein Moos und ohne Moos nix los!

Hier greift der Geschichts-Schreiber ein und möchte an folgende Fakten erinnern:

Stop, stop, stop! Der Geschichtenschreiber möchte hier mal den Geschichts-Schreiber daran erinnern, daß ich hier der Chef bin und wenn der Geschichts-Schreiber nochmal rumtönt, fliegt er raus!

Okay!

Tja, das große Elend war angesagt, bei Antons Familie. Lautes Wehklagen erhob sich weithin hörbar aus der Hütte, ab und zu unterbrochen von dem Geräusch, welche nagende Zähne nun einmal an einer hölzernen Tischplatte verursachen. Gunther hatte dabei im übrigen die Arsch-Karte gezogen. Das kleine Quängel-Schweinchen hatte nämlich noch gar keine Zähne und konnte somit nur an der Tischplatte lutschen. Aber wir wollen die Situation an dieser Stelle nicht überdramatisieren.

Anton kam nämlich kurz darauf auf die Idee, daß ihm ja andere Leute was pumpen könnten. Ziemlich schnell machte er auch die Erfahrung, daß keiner der anderen Leute aber auf die Idee kam, ihm was zu pumpen. Lise kam dann aber auf die Idee (Anton hatte seine Idee für diesen Monat ja schon weg), daß Anton ja statt wie früher (zu den guten Zeiten) Wildschweine im Wald, Schafe auf der schwiegerväterlichen Weide jagen könnte. Die Schafheerde von Anton senior hatte nämlich mittlerweile mehr Schafe als Anton Senior Finger an beiden Händen. Damit war dieser beim Nachzählen gnadenlos gehandicapt. Anton fand die Idee voll Spitze und machte sich an das hintertückische und heimhältige Werk. Durch seine jahrelange Jagterfahrung im lautlosen Anschleichen und blitzschnellem Töten (von Viechern) war es in der ersten Zeit für ihn überhaupt kein Problem, seinen Alten, der nach wie vor Schäfer (ja, jetzt Schäfer) der Herde war, auszulisten. Allerdings wäre es wahrscheinlich auch für jeden anderen kein Problem gewesen, den alten, senilen Sack zu übertricksen. Abgesehen davon, daß er inzwischen fast blind war, war er vor allem stocktaub. Aber am dollsten war er vor allem mit der Zeit total bescheuert geworden! Einige male hatte er Anton nämlich trotzdem erwischt. Auf die Frage, was denn da mit dem Schaf auf Antons Schulter sei, antwortete dieser immer regelmäßig, daß er eigentlich auf der Jagt war, und das Schaf dummerweise mit einem Braunbären verwechselt habe. Der Alte sagte dann immer nur, daß es doch keine Viecher mehr im Wald gäbe, und schon gar keine Braunbären. Aber wo das Schaf ja nun schonmal tot ist, könnte es Anton ja mit nach Hause nehmen. Er hätte doch eh' nichts zu fressen!
Und das immr und immer wieder!